Paläontologen in China entdeckten eine 228 Mio. Jahre alte ausgestorbene Schildkrötenart, mit seltsamem scheibenförmigem Körper ohne Panzer und mit zahnlosem Schnabel.
Die neuentdeckte Schildkröte bekam den wissenschaftlichen Namen Eorhynchochelys sinensis. Sie lebte vor ca. 228 Mio. Jahren-in der Triaszeit, und zwar dort, wo heute Südwest-China ist.
“Diese Kreatur war über 1,8 m lang und hatte einen seltsamen scheibenförmigen Körper und einen langen Schwanz. Der Vorderteil seiner Kiefer war zu diesem eigenartigen Schnabel weiterentwickelt. Das Tier lebte vermutlich in seichtem Wasser und grub im Schlamm nach Nahrung”, sagte Dr. Olivier Rieppel, Paläontologe am Field Museum.
“Eorhynchochelys sinensis ist nicht die einzige Sorte früher Schildkröten, die Paläontologen entdeckt haben- da ist eine weitere frühe Art mit einer partiellen Schale, aber ohne Schnabel. Bis heute ist nicht klar, wie sie alle in den Reptilien-Stammbaum passen.”
“Der Ursprung der Schildkröten war für viele Jahrzehnte ein ungelöstes Problem in der Paläontologie. Nun, mit Eorhynchochelys sinensis, ist die Evolution der Schildkröten viel klarer geworden”.
Die Tatsache, daß Eorhynchochelys sinensis vor anderen frühen Schildkröten einen Schnabel entwickelte, aber keinen Panzer, ist ein Beweis für “Mosaik-Evolution”, d.h. dass sich Merkmale vollkommen unabhängig voneinander entwickeln, und das in unterschiedlicher Geschwindigkeit, und dass nicht jede überlieferte Spezies die gleiche Kombination dieser Merkmale entwickelt hat.
Moderne Schildkröten haben sowohl Panzer als auch Schnäbel, aber der evolutionäre Weg dahin war keine gerade Linie. Stattdessen bekamen manche Schildkrötenverwandte Teilpanzer, während andere Schnäbel bekamen, und letztendlich tauchten die genetischen Mutationen, die diese Eigenschaften hervorbrachten, in demselben Tier auf.
“Dies beeindruckend große Fossil ist eine sehr aufregende Entdeckung, die uns ein weiteres Stück zum Puzzle der Schildkrötenevolution liefert. Es zeigt, dass die Entwicklung der frühen Schildkröten keine geradlinige Step-by-Step-Anhäufung von einzigartigen Eigenschaften war, sondern mehr eine komplexe Serie von Veränderungen, die wir gerade erst zu enträtseln beginnen“, sagte Dr. Nick Fraser vom National Museum Scotland.
Feine Details des Schädels von Eorhynchochelys sinensis löste ein weiteres Mysterium der Schildkrötenevolution.
Jahrelang waren die Paläontologen sich nicht sicher, ob die Ahnen der Schildkröten zu derselben Reptiliengruppe gehörten wie moderne Eidechsen und Schlangen- Diapsiden, die in der Frühzeit ihrer Evolution zwei Löcher an den Seiten ihrer Schädel hatten- oder ob sie Anapsiden waren, denen diese Öffnungn fehlen.
Der Schädel von Eorhynchochelys sinensis läßt darauf schließen, daß die Art zu den Diapsiden gehörte.
“Mit Eorhynchochelys sinensis’ Diapsidenschädel wissen wir, dass Schildkröten nicht mit den frühen Anapsid-Reptilien verwandt waren, sondern stattdessen mit den in der Evolution weiter fortgeschrittenen Diapsiden. Es steht jetzt fest, die Debatte ist zu Ende,” sagte Dr. Rieppel.
Die Arbeit, in der Eorhynchochelys sinensis beschrieben ist, wurde online im Journal Nature publiziert.
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Chun Li et al. 2018. A Triassic stem turtle with an edentulous beak. Nature 560 (7719): 476-479; doi: 10.1038/s41586-018-0419-1