Auf den ersten Blick mag die Rekonstruktion von Arthropleura an die Szene aus einem Gruselfilm erinnern. Die Natur schreibt jedoch das beste Drehbuch und so ist das Fossil Arthropleura tatsächlich oberflächlich ein den heutigen Hundert- und Tausendfüßer ähnlich sehendes Tier aber von ungeheuren Dimensionen (Abb. 1). Einige Spezies von Arthropleura erreichten mehr als 2 m Länge und sind damit die größten auf dem Land lebenden Arthropoden (auf Deutsch Gliederfüßer) die es im Verlauf der Lebensgeschichte gab. Wie exakt die verwandtschaftlichen Bande zwischen Arthropleura und den Hundert- und Tausendfüßlern aus heutiger Zeit sind liegt im Dunkeln (siehe Brauckmann et al. 1998). Eines ist sicher: Arthropleura existierte vor 280 bis 340 Millionen Jahren vor heute auf unserem Planeten. In der erdgeschichtlichen Tabelle kommt das Fossil damit von der späten Karbon- bis in die frühe Permzeit vor, entfernter verwandte Formen kennt man zudem aus der Silurzeit. Die genauen Bezüge letzterer Fossilien zu Arthropleura sind jedoch unklar.
Zumal kein vollständiger Kopf von Arthropleura vorliegt ist dessen Form unbekannt und auch die Mundregion. Funde fossiler Pollen im Darm einiger zwergenhafter Fossilien legen nahe, daß diese Pflanzen frassen. Für die kolossaleren Vertreter ist wahrscheinlich, daß sie mit gewaltigen Kiefern ausgestattete Omnivoren, also Allesfresser, waren. Details über den Körperbau und die Lebensweise finden sich in Brauckmann et al. (1998) und vor allem in Kraus (2003a, b und 2004).
Betrachtet man die Ausbreitung von Arthropleura global wurde sie im Mittleren Osten, Nordamerika und Europa nachgewiesen. Die deutschen Fossilien dieser Gattung wurden am Kammerberg, am Ortsrand von Manebach, in Thüringen gefunden. Das Alter dieser Funde ist permisch. Aus der späten Steinkohlezeit, dem späten Karbon, liegen Fossilien als Haldenfunde aus dem Abraum des Bergwerkes Warndt im südlichen Saarland vor. Neben Resten ausgewachsener Exemplare (Abb. 2) sind auch jugendliche Individuen gefunden worden (Abb. 3). Sie finden sich mit typischen Steinkohlenpflanzen vereint und im Foto wurde ein Kreis eingefügt um das Panzerfragment besser kenntlich zu machen. Die Geowissenschaftliche Sammlung der Universität Bremen besitzt seit 2008 Arthropleura-Fossilien durch einen glücklichen Kauf, denn 2005 wurde der Haldenbetrieb an der Fundstelle eingestellt. Fossilien von Arthropleura sind nicht extrem rar, jedoch sind oft winzige Fragmente überliefert die nicht erkannt werden. Auch sind Arthropleura-Fossilien meist überwiegend Häutungsreste, sicherlich gilt dieses ebenso für die hier zu sehenden Stücke.
Die Paläontologische Gesellschaft hat die Art Arthropleura armata als „Fossil des Jahres“ 2015 ausgewählt. Diese größte deutsche paläontologische Vereinigung veranstaltet auch ihre Tagung in diesem Jahr im Saarlandes – einer Region aus der auch die ersten Funde dieser Tierfossilien stammen. Im Zentrum für Biodokumentation und “Gondwana – Das Praehistorium” in Schiffweiler Reden, kann man Arthropleura als Modell in dessen rekonstruierter Umwelt ansehen. Zudem finden sich eine Reihe weiterer fantasieanregender Rekonstruktionen in Deutschland, z.B. an der Bergakademie Freiberg in Sachsen (Abb. 1).
Literatur zum Thema:
Brauckmann, C., Gröning, E. & Thiele-Bouchier, M. (1998): Arthropleura. Neues von einem paläozoischen Riesen. Fossilien 15: 50-53.
Kraus, O. (2003a): Fossil giants and surviving dwarfs. Arthropleurida and Pselaphognatha (Atelocerata, Diplopoda): characters, phylogenetic relationships and construction. Verhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins Hamburg 40: 5-50.
Kraus, O. (2003b): On the structure and biology of Arthropleura species (Atelocerata, Diplopoda; Upper Carboniferous/Lower Permian). Verhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins Hamburg 41: 5-23.
Kraus, O. (2004): Riesen-Gliederfüßer des Erdaltertums. Naturwissenschaftliche Rundschau 57: 489-494.