“Dickmuschel” Pycnodonte (Phygraea) vesiculare – das Fossil des Jahres 2017

Die dickschalige Auster Pycnodonte (Phygraea) vesiculare zu den häufigsten Fossilien der späten Kreidezeit Europas. Viele werden die im Volksmund auch als “Dickmuscheln” bezeichneten Austern schon einmal in Museen gesehen oder vielleicht auch selber bei Spaziergängen an Stränden der Ostseeküste, beispielsweise der Insel Rügen, gefunden haben. Die ausgestorbene Austernart wurde aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades, sowie ihrer wissenschaftlichen und wissenschaftshistorischen Bedeutung durch die Paläontologische Gesellschaft zum Fossil des Jahres 2017 gewählt.

Eine Pycnodonte vesiculare als Aufwuchs im Nabel eines Ammoniten. Obere Kreidezeit (Cenomanium) von Westfalen.

Die “Dickmuschel” Pycnodonte (Phygraea) vesiculare

Diese Auster ist eine von mehr als zwanzig bekannten Arten von Pycnodonte, die in vielen Meeren weltweit zur Zeit der späten Kreidezeit lebte. Sie war über einen sehr langen Zeitraum verbreitet, von vor 100 bis 66 Millionen Jahren (Cenomanium bis Maastrichtium). Geographisch ist sie vor allem in Europa zu finden aber auch in West- und Nordafrika, Indien und Neukaledonien.

Auf der Insel Rügen sind “Dickmuscheln” in den Schreibkreideschichten häufig – die Fossilart findet sich jedoch auch an vielen anderen Fundorten in Norddeutschland.

Die zu den Muscheln bzw. Weichtieren gehörenden Austern, sind spätestens seit der Jurazeit eine sehr erfolgreiche Organismengruppe, bis in unsere heutige Zeit. Aufgrund unterschiedlichster Untergründe, die von Pycnodonte (Phygraea) vesiculare besiedelt werden, ist die Ausbildung der Schale dieser Auster recht variabel. Wie bei allen Austern sind die Schalen ungleich, bei dieser Art annähernd kreisrund bis halbrund im Umriss. Die “dicke” Schale der linken Klappe ist konvex und bis zu 10 Zentimeter hoch aufgewölbt und kann eine Schalendicke von mehr als 5 Zentimetern erreichen. Die kleinere rechte Klappe hingegen ist flach bis konkav ausgebildet. Ihren Artnamen vesiculare verdankt die “Dickmuschel” wohl blasigen bzw. blasenförmigen Wachstumslamellen, die sich mit dünnen dichten Lagen in der Schale abwechseln. Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde diese Auster bereits im Jahre 1806 durch den französischen Naturforscher und Zoologen Jean-Baptiste de Lamarck (1744-1829).

 

Lebensweise der “Dickmuschel”

Freischwimmende Austernlarven benötigen einen festen Untergrund zur Besiedlung. Als Untergrund zur Anheftung dienten den “Dickmuscheln” jedoch kein Felsen sondern Molluskenschalen, Seeigelgehäuse, Belemnitenrostren oder Schwämme. Oft zeichnen Abdrücke auf der Schale der “Dickmuschel” die Form der ehemaligen Untergründe nach. So können gestochen scharfe Negativabformungen von anderen Organismen des Oberkreidemeeres entstehen. In seltenen Fällen pausen sich diese Abdrücke auch durch den Weichkörper der Austern auf die zweite Schalenhälfte durch und so entstehen Positivformen der von der Auster abgeformten Organismen. Dieses bezeichnet man dann als Fremdabformung oder auch xenomorphes Wachstum.

In ihrer Jugend benötigt Pycnodonte (Phygraea) vesiculare die Anheftung an den Untergrund, aber später kann sie als Liegeform auf Weichboden-Substrat vorkommen. Dabei entwickelten die “Dickmuscheln” durch das Dickenwachstum der unteren Schale eine spezielle Anpassungsstrategie. Der Vergleich mit dem Schalenwachstum heutiger Austern lässt bei ausgewachsenen Exemplaren der kreidezeitliehen Dickmuschel” auf ein durchschnittliches Alter von 20 Jahren schließen.

Quellen:

  • Lehmann, J. & M. G. E. Wippich (1995): Oyster attachment scar preservation of the late Maastrichtian ammonite Hoploscaphites constrictus. Acta Palaeontologica Polonica 40:(4) 437-440.
  • Paläontologischen Gesellschaft
  • Wisshak, M., J. Lehmann & M. G. E. Wippich (2000): Abformungen und xenomorphes Wachstum bei Austern. Fossilien 17:(2) 99-104.

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