Tiere – keine Pflanzen
Seelilien – auch Crinoiden genannt – sind trotz ihres Namens Tiere. Tatsächlich sehen sie aber wie eine Blüte aus worauf ihr Name zurückzuführen sein dürfte (siehe Abbildung). Sie sind mit den Seeigeln, Seegurken und Seesternen verwandt und werden als Gruppe der Stachelhäuter zusammengefasst. Crinoiden bestehen aus einer “Wurzel”, einem Stamm der aus vielen scheibenförmigen Elementen zusammengesetzt ist und einer Krone. Der Name “Lilienstein” für fossile Seelilien bezieht sich auf die Basisplatten der versteinerten Kronen, die an eine Lilie erinnern und in Mitteleuropa in herrschaftlichen Kreisen vor allem im 19. Jahrhundert sehr begehrt war. Tatsächlich sind fossile Crinoiden seit vielen hundert Jahre bekannt – bereits im 16. Jahrhundert wurden sie von den berühmten schweizer bzw. deutschen Wissenschaftlern Conrad Gessner und Georgius Agricola beschrieben. Diese frühen Geowissenschaftler fanden jedoch nur die Fossilien der Crinoiden, da lebende Vertreter nur in der Tiefsee vorkommen und der Wissenschaft vor dem 18. Jahrhundert nicht bekannt waren. Die Fossilien konnte man also lange Zeit nicht richtig zuordnen. Dies ist der Grund warum die isolierten Stammelemente, auch als Bonifaziuspfennige bezeichnet, in Millionen von Exemplaren im deutschen Muschelkalk (Mitteltrias) mystisch als „Hexengeld” bezeichnet wurden.
Millionen von Fossilien
Die in Europa am häufigsten vorkommende Crinoide ist zweifelsohne Encrinus liliiformis. Diese Seelilie wurde bereits 1816 von Lamarck zum ersten Mal beschrieben. Sie wuchsen in Massen auf kleinen Erhöhungen auf dem Meeresboden und bildeten zusammen mit anderen benthischen Organismen, wie Austern und Brachiopoden, sogar riffähnliche Strukturen . Mehr als 99% der Fossilien von Encrinus liliiformis sind Columnalia, d.h. die einzelnen Stielglieder der Seelilie. Sie sind ein dominierender Bestandteil eines in Süddeutschland berühmten Naturbausteines, dem “Crailsheimer Trochitenkalk”. Im Vergleich dazu sind Kronen oder Kronen die sogar noch einen Teil des Stieles aufweisen, äußerst selten. Bei vielen Fossilien sind die Kronen geschlossen, d. h. die einzelnen Arme, die den oberen Teil der Krone bilden, sind eng miteinander verbunden. Unsere Krone zeigt Arme die leicht geöffnet sind und dadurch die Pinnulae zeigen (siehe Abbildung). Dieses sind die Organe die den organischen Detritus herausfiltern von der sich die Seelilie ernährt.Das Exemplar hier zeigt ein Stück es Stieles und stammt aus dem Muschelkalk von Alverdissen in Norddeutschlands. In diesem Fall wurden die Pinnulae so perfekt konserviert, dass deren feine Details nicht nur bewahrt wurden sondern auch herauspräpariert werden konnten. Die Präparation von Muschelkalkfossilien ist nicht nur eine Herausforderung, sondern oft auch aufgrund des extrem harten Gesteines unmöglich.Die Crinoidenart Encrinus liliiformis wurde von der Paläontologischen Gesellschaft aufgrund ihrer leichten Erkennbarkeit, ihrer wissenschaftshistorischen Bedeutung und ihres massenhaften Auftretens in Form der Stielglieder als “Fossil des Jahres” 2019 gewählt. Unser Fossil aus der Geowissenschaftlichen Sammlung der Universität Bremen wurde von Ludwig Kopp (Ritterhude) vom Förderverein der Geosammlung gespendet – herzlichen Dank dafür! Einige ältere Exponate in der Sammlung stammen aus historischer Zeit und wurden an süddeutschen Fundorten gefudnen.Die Art gehört auch zu den relativ wenigen Crinoidenarten, die als Leitfossilien wichtig sind und als Namensgeber für eine Biozone Verwendung finden (siehe Hagdorn 1999a). Ausführlichere Berichte zu dieser Art finden sich in den Veröffentlichungen des Muschelkalk-Spezialisten Hans Hagdorn (Hagdorn 1996, 1999b, 2011). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Fossil eine mehrfache Karriere machte: Einerseits als Organismus im Muschelkalkmeer in dem sie sogar riffähnliche Strukturen bildete, zudem machten seine Überreste eine Karriere als Naturbaustein und schließlich wurden sie von der Deutschen Paläontologischen Gesellschaft als “Fossil des Jahres” geehrt.
Literatur
Hagdorn, H. 1996. Trias-Seelilien. Geologisch-Paläontologische Mitteilungen, Innsbruck 21: 1-17.
Hagdorn, H. 1999a. Seelilien und Crinoidenkalke des Muschelkalks. In N. Hauschke & V. Wilde (Hrsg.): 321-330, Dr. Friedrich Pfeil, München.
Hagdorn, H. 1999b. Trias Muschelkalk von Mitteleuropa. In H. Hess, W.I. Ausich, C.E. Brett & M.J. Simms (Hrsg.): 164-176, Cambridge University Press, Cambridge.
Hagdorn, H. 2011. Die Trias – entscheidende Periode der postpaläozoischen Krinoidendiversifizierung. Swiss Journal of Palaeontology 130: 91-112.
Hagdorn, H. 2012. Eine berühmte Seelilie aus dem Muschelkalk. In T. Martin, W. von Königswald, G. Radtke & J. Rust (Hrsg.): 100-101, Dr. Friedrich Pfeil, München.