Neuer Hyolith in der Sammlung

Die Geowissenschaftliche Sammlung der Universität Bremen besitzt eine Reihe geheimnisvoller Fossilien die man unter der Bezeichnung Hyolithen zusammenfasst. Doch was sind Hyolithen? Von ihnen finden wir zweiseitig-symmetrische, bis über 15 cm lange Kalkschalen. Sie sind kegelförmig und haben einen trigonalen bis elliptisch-runden oder fünfeckigen Querschnitt. Oft ist eine Seite abgeflacht und die gegenüberliegende Seite gewölbt oder mit einem stumpfen Grat versehen. In vielen Sedimenten sind die Schalen nicht erhalten oder umkristallisiert, da sie aus der Modifikation Aragonit des Kalziumkarbonats bestanden und damit leicht löslicher waren als Kazit und ihre Schalen oft umgewandelt wurden. Manche Hyolithen zeigen konzentrisch gestreifte Deckel vor der Mündung, diese sind jedoch selten erhalten und man weiss nicht ob alle Hyolithen Deckel besassen. Dasselbe gilt für lange dünne Fortsätze die in seltenen Fällen von der Mündung der Schale ausgehen und die den Namen Helenen bekommen haben. Die Lebensweise der Hyolithen war lange Zeit unbekannt (z.B. Boardman et al. 1987, Milsom & Rigby 2003).

Hyolith mit erhaltenem Deckel (grün) und Helenen (rot), Kambrium von Utah, USA

Es gab die Vermutung, dass manche aktiv geschwommen sind, also zum Nekton gehörten. Die meisten wurden aber schon immer als festsitzende Strudler am Boden der Schelfmeere des Paläozoikums interpretiert. Man hatte sie den Mollusken (Bandel 1983) und anneliden Würmern (Bandel 1983, 1986) zugeordnet, bis Moysiuk et al. (2017) mehr als 1500 Exemplare untersuchten und erkannten, dass es sich um Lophophoraten und damit um Verwandte der Brachiopoden handelt. Mit ihren tentakelbesetzten Armen fischten sie demnach Mikroplankton aus dem Wasser.

Hyolithen traten vom Unteren Kambrium bis in das Perm auf, besonders weit waren sie im Kambrium und Ordovizium auf der Erde verbreitet. Auch im Silur und Devon sind sie nicht selten, weniger häufig finden sich Hyolithen nur in Sedimenten des Karbons und Perms.

Die meiste Information lässt sich aus den Funden kambrischer Fossillagerstätten ableiten. Zu nennen sind Chengjiang in China (Hou et al. 2007; Selden & Nudds 2012a), aber auch nordamerikanische Fundorte wie der berühmte Burgess Pass in British Columbia (Bülow 2010, Selden & Nudds 2012b). Von diesen Orten kennt man mehr als nur die kalkigen Schalen. Kürzlich konnten wir für die Geowissenschaftliche Sammlung ein Exemplar mit erhaltenem Deckel und Helenen erwerben, für das als Fundschicht und Fundort der Wheeler Shale von Utah angegeben ist. Dieser dunkle Tonstein ist eine Gesteinsformation aus der Zeit des mittleren Kambriums – vor etwa 507 Millionen Jahren. Der Wheeler Shale ist Fossiliensammlern vor allem für die massenhafte Überlieferung des Trilobiten Elrathia kingii bekannt. Vor allem ist in diesem Sediment aber die Erhaltung von Weichteilen bemerkenswert.

Man kann Hyolithen auch in Norddeutschland finden (Bartholomäus et al. 2003; Lehmann 2014). Die hier abgebildeten Geschiebefossilien wurden bereits 1962 bei Rendsburg in Schleswig-Holstein gesammelt. Es handelt sich um Hyolithen aus einen feinkörnigen Glaukonitsandstein des Unterkambriums, dem “Sandstein mit Orthotheca degeeri” nach Hucke & Voigt (1967). Diese Basisdaten wurden vom ehemaligen Kustos der Sammlung, Dr. Thorwald Kruckow, zusammengetragen und im Zuge der Suche nach interessantem Material für die studentische Lehre – wurde das Exemplar 2010 zum „Fund in der eigenen Sammlung“. Ähnliche Gesteine, plattige Glaukonitsandsteine, stammen nach Schulz (2003, p. 205) aus dem Gebiet nördlich und nordöstlich von Bornholm und sind durch die Eiszeiten nach Süden verfrachtet worden.

Hyolithen aus eiszeitlichem Geschiebe von Schleswig-Holstein

Literatur

  • Bandel, K. (1983): Wandel der Vorstellungen von der Frühevolution der Mollusken, besonders der Gastropoda und Cephalopoda. – Paläontologische Zeitschrift 57(3/4), 271-284.
  • Bandel, K. (1986): The reconstruction of “Hyolithes kingi” as annelid worm from the Cambrian of Jordan. – Mitteilungen des Geologisch-Paläontologischen Institutes der Universität Hamburg 61, 35-101.
  • Bartholomäus, W.A., Popp, A., Schneider, S. (2003): Hyolithen in erratischen Sandsteinen des Unterkambriums. – Berliner Beiträge zur Geschiebeforschung 2, 5-19.
  • Boardman, R. S., A. H. Cheetham & A. J. Rowell (1987): Fossil invertebrates. – Blackwell Science, Cambridge, Mass.
  • Bülow, S., 2010. Der Burgess-Schiefer: Neues zur Kambrischen Explosion. – Fossilien 27(3), 141-148.
  • Hou, X.-g., R. J. Aldridge, J. Bergström, D. J. Siveter, D. J. Siveter & X.-h. Feng (2007): The Cambrian fossils of Chengjiang, China: The flowering of early animal life. Blackwell Publishing, Malden, Oxford, Victoria.
  • Hucke, K. & E. Voigt (1967): Einführung in die Geschiebeforschung (Sedimentärgeschiebe). – Nederlandse Geologische Vereniging, Oldenzaal.
  • Lehmann, J. (2014): Hyolithen aus einem Geschiebe von Rendsburg. – Fossilien 31(2), 5-6.
  • Moysiuk, J., Smith, M.R., Caron, J.-B. (2017): Hyoliths are Palaeozoic lophophorates. – Nature 541(7637), 394-397.

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