Fossiliensammler Werner Beckert (1938-2021) und das Bremer Hohendorf-Projekt

Im Februar 2021 starb mit Werner Beckert ein Fossiliensammler der die Geowissenschaftliche Sammlung Bremen unterstützt hat – und vor allem auch ein Freund. Das Team der Geowissenschaftlichen Sammlung war mehrfach bei ihm zu Hause zu Gast – und mit ihm auf Exkursion in seinem Fundrevier bei Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern. Besonders die Kiesgruben in Hohendorf, und deren ganzheitliche Bearbeitung der Fauna, lagen ihm am Herzen. Er kontaktierte dazu Ende der 1990er Jahre Dr. Mike Reich (damals Greifswald, heute München). Dieser wiederum holte den Autor mit ins Boot, da der sich seit Ende der 1990er Jahre verstärkt mit Ammoniten aus dem Albium beschäftigte. Gemeinsam erfolgte ein erster Besuch der Sammlung Beckert und vor allem des äußerst gastfreundlichen Ehepaares Beckert. Damit wurde ein langjähriger Kontakt und ein langjähriges Projekt der Geowissenschaftlichen Sammlung angestoßen. Werner Beckert war schnell überzeugt, dass der Schlüssel zu einer genaueren Alterseinstufung der Unterkreidegeschiebe bei der Bestimmung der Ammoniten lag. So willigte er ein, dass vor allen anderen Fossilien zunächst die Ammonitenfauna neu bearbeitet werden müsse. Eine DDR-Oberseminararbeit über dieses Thema hatte sich an diesem Thema bereits 1981 die Zähne ausgebissen (Details siehe Lehmann et al. 2016). Es wurden eine Reihe klassischer Ammonitentaxa identifiziert die im mittel- und westeuropäischen Raum vorkommen, das Material war jedoch in Erhaltung und Menge überschaubar. Erst durch das weitaus reichere Fossilmaterial der Sammlung Beckerts wurde im Verlaufe des Jahres 2010 deutlich wie einzigartig die Zusammensetzung der hohendorfer Fauna ist. Werner Beckert hatte J. Lehmann damals das problematischste Material entliehen, dass er 2010 in London bei Dr. Hugh Gwyn Owen verglich. Dabei kam dem Thema Hohendorf zu Gute, dass diese Untersuchungen während eines längeren Forschungsaufenthaltes geschah und das Material mit der umfangreichen Sammlung von Albium-Ammoniten des Natural History Museums verglichen werden konnte. Es zeigt sich, dass weit weniger Taxa bereits aus Deutschland bekannt waren als bis dahin gedacht.

Werner Beckert in „seiner“ Kiesgrube am 16.06.2015.

Zweifelsohne die Krönung seiner Forschertätigkeit an den Geschieben der Unterkreide von Hohendorf war die Entdeckung einer neuen Ammonitenart, die er als Mitautor beschreiben konnte (Lehmann et al. 2013). Selbstverständlich musste sie den Namen „seiner Lokalität“ erhalten und so ging sie als Cymahoplites hohendorfensis in die wissenschaftliche Literatur ein.

Ammoniten der Unterkreide aus der Sammlung Beckert und bereits länger Teil der Geowissenschaftlichen Sammlung der Universität Bremen. 1 Holotypus von Cymahoplites hohendorfensis Lehmann, Owen & Beckert 2013. 2 Eosonneratia? sp.

Die Gastfreundlichkeit des Ehepaares war nicht erst nach Erscheinen der ersten großen Arbeit über Hohendorf großartig. Als eines Tages gleich die gesamte Kernbesatzung der Geowissenschaftlichen Sammlung Bremen beim Ehepaar Becker einfiel und dort mehrere Tage mit der gesamten Ausrüstung im Wohnzimmer kampierte, löste das auch der Ehefrau des Hauses keine Bestürzung aus. Da es der Sache diente wurde die Aktion breit unterstützt. Werner Beckert selbst konnte die neuen Erkenntnisse zum Alter der Hohendorfer Geschiebe auf der 29. Jahrestagung der Gesellschaft für Geschiebekunde in Stralsund im Jahr 2013 mit einem Vortrag präsentieren. Dem Plan auch die übrigen Fossilien dieses Geschiebetyps in Form einer Veröffentlichung vorzustellen folgte dann die Idee zunächst neben den Ammoniten alles anderen Cephalopoden und das bisher nicht abgebildeten Ammonitenmaterial zu bearbeiten. Hieraus erwuchs das Doppelheft über Hohendorf im Archiv für Geschiebekunde-Heft 7-8 des Bandes 8. Dieses zollt auch der Verpflichtung die Beckert gegenüber dem 2013 verstorbenen Dr. Roger Schallreuter empfand.

Werner Beckert war dabei ein Lokalsammler im allerbesten Sinn. Er kannte jeden noch so kleinen Aufschluss in dem die Hohendorfer Unterkreidegeschiebe zu finden waren. Er hatte die Zeit vor Ort wenig erfolgversprechende alte Tagebaue oder Forstumbrüche zu kontrollieren, als Wissenschaftler hätte man diese Zeit nie aufbringen können. Im Jahr 2015 durften wir zum Beispiel Fundorte kennenlernen, die Lehmann et al. (2013) gar nicht aufgelistet sind da sie zu wenig produktiv waren. Werner Beckert aber suchte auch diese Lokalitäten auf und ab und zu gelangen ihm tatsächlich auch hier neue Funde.

Die Sammlung Beckerts ist im ehemaligen Schweinestall untergebracht. Da bereits wichtige Originale in der Sammlung der Hansestadt Bremen untergebracht sind ist es sehr erfreulich, dass nun auch der Rest des Unterkreidematerials den Weg in unsere öffentliche Sammlung gefunden hat – so wie Werner Beckert sich das auch gewünscht hatte.

Werner Beckert in seiner Sammlung im umgebauten Schweinestall.

Werner Beckert verlies uns mit 82 Jahren in Folge einer Corona-Infektion – wir hätten uns sehr gewünscht, dass er das geplante Buch über die Gesamtfauna aus Hohendorf noch hätte erleben können.

 

Schriften von Werner Beckert

Buchholz, A.; Schallreuter, R.; Beckert, W. & Leipnitz, H. (2006): Ungewöhnliche Geschiebe des Jentzschi-Konglomerates aus Vorpommern (Norddeutschland) und von den Inseln Langeland und Thuroe (Dänemark) – Geschiebekunde aktuell, 22 (3): 73-92; Hamburg/Greifswald

Buchholz, A.; Beckert, W. & Grimmberger, G. (2015): Trias-Geschiebe aus Vorpommern (Norddeutschland) – Archiv für Geschiebekunde 7 (4): 209-226; Hamburg/Greifswald

Lehmann, J.; Owen, H. G. & Beckert, W. (2013): A new ammonite fauna from NE Germany – evidence for an Early Albian cooling and the initial transgression in the Danish-Polish Trough. – Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Abhandlungen 268 (2), 199-235; Stuttgart

Lehmann, J; Hoffmann, R; Owen, H. G. & Beckert, W. (2016): Cephalopoden aus unterkreidezeitlichen Geschieben der Region um Wolgast-Hohendorf, Vorpommern. – Archiv für Geschiebekunde 7 (7-8), 401-530; Hamburg/Greifswald

Reich, M.; Beckert, W. & Lehmann, J. (2001): Unterkreide-Lokalgeschiebe aus Hohendorf bei Wolgast (Vorpommern). – Unveröffentlichter Führer, 17. Jahrestagung der Gesellschaft für Geschiebekunde, Greifswald 6.-8. April 2001, Greifswald, pp. 1-3.

Reich, M.; Ansorge, J.; Lehmann, J. & Beckert, W. (2004): Lokalgeschiebe der “Hohendorfer Geschiebesippe” (Unterkreide: Aptium/Albium). – Archiv für Geschiebekunde 3 (8-12), 846; Hamburg/Greifswald

 

Schriften über Werner Beckert

Schröter, T. (2013): Hohendorfer Sensationsfund stößt weltweit auf Interesse. Hobby-Paläontologe Werner Beckert entdeckt im Kiestagebau neue Ammoniten-Art. – OZ Lokal, Insel Usedom, Wolgast und Region, Mittwoch, 9. Juni 2013, S. 9

Kutscher, M. & Lehmann, J. (2021): Nachruf auf Werner Beckert (1938-2021).” – Geschiebekunde aktuell 37(2): 62-64.

Ihr Kommentar zu diesem Beitrag?