Unter den Ameisen gibt und gab es Giganten. Zwar erreichten diese nie die Dimensionen wie in dem Horrorstreifen „Formicula“ von Jack Arnold aus dem Jahr 1954. Arbeiterinnen der heute in Südamerika heimischen Art der “Tropischen Riesenameise“ (Paraponera clavata) erreichen nach Wikipedia-Angaben eine Körperlänge von bis zu 35 mm. Funde fossil überlieferter Arten konnten dies noch überbieten.
Insekten als wechselwarme Tiere, die ihre Wärmeenergie nicht selbst erzeugen können, sondern auf die Temperatur ihrer Umwelt angewiesen sind, entwickeln in kühleren Habitaten Körper mit größerer Oberfläche und weniger Volumen bzw. Körpermasse. Somit sind die größten Arten heute eher in tropischen Gegenden anzutreffen.
In der Zeit des Eozäns, 58-36 Mio. Jahre vor heute, herrschte auf der Erde eine weit höhere Durchschnittstemperatur als zu heutiger Zeit. Vor 48-47 Mio. Jahren lebte dort, wo sich die heutige Grube Messel bei Darmstadt erstreckt, die bisher größte nachgewiesene Art Titanomyrma giganteum. Die größten bisher bekannten Königinnen dieser Spezies erreichten eine Länge von rund 5 -7 cm und die Körpermasse eines Zaunkönigs. Ihre Flügelspannweite betrug bis zu 16 Zentimetern. Diese Art vertilgte wahrscheinlich alles, was kleiner war als sie, einschließlich Vögeln und Säugetieren. Aber auch in Nordamerika suchten zu etwa dieser Zeit riesige räuberische Ameisen die Waldböden nach Beute ab. Im heutigen Wyoming sind eozäne Ameisenköniginnen überliefert mit den Ausmaßen eines Kolibris.
Die fossilen Arten aus Wyoming wie auch die aus Deutschland gehörten der Gattung Titanomyrma an. Die damals tropischen Klimaverhältnisse an beiden Orten der Erde waren vergleichbar. Nun stellt sich die Frage, wie Ameisen von einem Kontinent zum anderen gelangen konnten. Es existierten am Ende der Kreidezeit bzw. zum Beginn des Paläogens (frühere Bezeichnung: Tertiär) zeitweise Landbrücken zwischen Amerika und Asien, wie z.B. die De Geer- Brücke vor 68-63 Mio. Jahren zwischen den Ellesmere-Inseln, Grönland und Spitzbergen oder die Thule-Brücke, die zwischen 57 und 56 Mio. Jahren zweimal den Weg über Grönland und Schottland freigab.
Doch all diese Landbrücken führten über die Arktis. Zu damaliger Zeit zwar mit milden Wintern, aber ansonsten nur gemäßigten Temperaturen. Allerdings gab es damals, im ohnehin schon warmen Eozän, kurze Hochtemperaturphasen, die auch kälteempfindlichen, wechselwarmen Tieren die Überquerung der Landbrücken ermöglicht haben könnten.
Für den Paläontologen Bruce Archibald von der Simon Fraser University (SFU) in Burnaby, B.C. (British Columbia, Kanada), wirft nun ein neu entdecktes Fossil aus der eozänen Allenby-Formation von Princeton, B.C. neue Fragen auf. Die neue Ameisenart, auf ein Alter von ca. 51 Mio. Jahre datiert, gehört ebenfalls zur Gattung Titanomyrma, ebenso wie die Funde aus Wyoming und Deutschland. Leider konnte die wahre Größe des fossil erhaltenen Tieres aufgrund des mäßigen Erhaltungszustandes bisher nicht exakt bestimmt werden. Je nachdem, wie stark das Fossil durch Gesteinsdruck komprimiert ist, könnte die Originallänge von 3 bis 5 Zentimetern variieren.
Damit ergeben sich neue Fragen:
wie passt die neue Riesenameise in das damals wie heute recht kühle westliche Kanada? Handelt es sich um eine Art, die lediglich frostige Temperaturen nicht vertrug, oder um eine wirkliche Riesenart, wie sie heute nur in niederen Breiten vorkommt, und die auf jeden Fall tropisches Klima benötigte?
Die Antwort könnte die gängige Vorstellung von der Klimatoleranz der Riesenameisen oder der Art und Weise, wie sie die Arktis durchquerten, verändern.
Für Dr. Archibald bleibt diese Frage, solange nicht mehr Fossilien vorliegen, ein Mysterium.
Die Studie wurde im Journal The Canadian Entomologist veröffentlicht.