Otodus (Carcharocles) megalodon war als prominentes Mitglied der Familie Otodontidae, wohl der größte Raubfisch aller Zeiten. Megalodon lebte zwischen Miozän und Pliozän, vor ca. 23 bis 2.6 Mio. Jahren vor heute. Sein Aussterben im späten Pliozän wird u. a. zurückgeführt auf den Verlust produktiver Küstengewässer und dem damit zusammenhängenden Rückgang potentieller Beutetiere.
Fossil überliefert sind fast ausschließlich die riesigen stabilen Zähne, in seltenen Fällen auch Rückenwirbel. Es gab sehr viele Versuche, anhand der mageren Menge fossil überlieferten Materials Rückschlüsse auf seine Lebendgröße zu ziehen. Die Schätzungen rangierten dabei zwischen 12 und 20 Metern maximaler Körperlänge.
Nun hat ein internationales Forscherteam einen neuen interessanten Ansatz verfolgt. Als Ausgangsmaterial wählte das Team um den Ph.D.-Studenten Jack Cooper von der Swansea University in Wales, United Kingdom ein außergewöhnlich gut erhaltenes Fossil des riesigen Hais, um über eine 3D-Animation ein möglichst naturgetreues Bild zu erzeugen. Zusätzlich erhoffte man sich weitere Erkenntnisse über sein Bewegungs- und Ernährungsverhalten.
Wie Hauptautor Jack Cooper in der aktuellen Studie noch einmal betont, gibt es wenige gut erhaltene Skelettteile von Haien, da diese aus Knorpel statt Knochen bestehen und nicht sehr erhaltungsfähig sind. Das für die Studie hauptsächlich herangezogene Fossil ist ein außergewöhnlich gut erhaltenes Stück Wirbelsäule aus dem Königlich Belgischen Instituts für Naturwissenschaften in Brüssel.
Die Ergebnisse lassen den Schluß zu, dass. ein ausgewachsener Megalodon sich schneller dauerhaft fortbewegen konnte als irgendein heute lebender Hai. Ferner dürfte er in der Lage gewesen sein, eine Beute von ca. 8 Metern Länge komplett zu verspeisen. Das entspricht in etwa der Größe eines heutigen Schwertwals.
In ihrer Forschungsarbeit vermaßen Jack Cooper und seine Kollegen jeden einzelnen Wirbel des Fossils, bevor sie daraus die gesamte Wirbelsäule rekonstruierten.
Dann verknüpften sie die rekonstruierte Wirbelsäule per 3D-Scan mit der Rekonstruktion der kompletten Bezahnung eines Megalodon aus den USA.
Für das weitere Vorgehen gingen sie, wie heute allgemein üblich, dass das Aussehen und die Körperproportionen von Megalodon dem heutigen Weißen Hai (Carcharodon carcharias) sehr ähnlich sind.
Sie komplettierten sie ihre Rekonstruktion, indem sie das erhaltene Skelettmodell mit „Fleischmasse“ ausstatteten. Dafür hielten sie sich an den 3D-Scan eines Großen Weißen Hais aus südafrikanischen Gewässern.
Das Resultat war ein Fischmodell von 16 Metern Länge und einem geschätzten Gewicht von 61560 kg. Nach Schätzung der Wissenschaftler konnte dies Exemplar die beachtliche Geschwindigkeit von ca. 1,4 m pro Sekunde erreichen. Dabei verbrauchte derRiesenfisch wohl rechnerisch etwa 98175 Kilokalorien am Tag. Wahrscheinlich konnte der hohe Kalorienbedarf am ehesten mit Walfett („Blubber“) gestillt werden. Überlieferte Bissmarken an Walfossilien unterstützen diese Erkenntnis.
Sensationell ist das rekonstruierte Magenvolumen des Tieres von ca. 10 Kubikmetern. Das Volumen bietet Platz für die Menge eines kompletten Orcas. Wale in der Größe eines heutigen Orcas oder Schwertwals dürfte Megalodon in bis zu 5 Bissen komplett verschlungen haben.
In einem optimierten Modell zum Fressverhalten kam heraus, dass Megalodon durch den Verzehr eines einzigen 8 Meter langen Wals genug Energie aufgenommen hätte, um zwei Monate lang Tausende Kilometer Ozean zu durchschwimmen.
Professor Catalina Pimiento, Professor an der Universität von Zürich, meint dazu: “Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass dieser riesige Hai ein transozeanischer Super-Spitzenprädator war“.
“Das Aussterben dieses ikonischen Riesenhais beeinflusste wahrscheinlich den globalen Transport an Nährstoffen und befreite die großen Wale von einem großen Bedrohungsdruck.”
Eine Abhandlung zu den Forschungsergebnissen wurde im Journal Science Advances publiziert.
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Jack A. Cooper et al. 2022. The extinct shark Otodus megalodon was a transoceanic superpredator: Inferences from 3D modeling. Science Advances 8 (33); doi: 10.1126/sciadv.abm9424